Facebook wird immer dreister – die deutsche Politik schaut zu und macht mit

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(socialON) Am 14.04.2013 stellte die Facebook Germany GmbH einen „Leitfaden für Politiker und Amtsträger“ vor, in dem auf 21 Seiten Politiker und Amtsträger dazu animiert werden sollen, Accounts und Fanpages bei Facebook einzurichten, für sich zielgruppenspezifisch zu werben und zugleich den eigenen Erfolg über „Facebook Insights“ zu analysieren. Ziel des Leitfadens ist es weniger, politisch Verantwortliche zu einer besseren Selbstdarstellung zu bringen. Das Interesse an deren Selbstvermarktung wird vielmehr genutzt, um über diese noch mehr Traffic bei dem Werbeportal zu generieren und zugleich die politische und gesellschaftliche Akzeptanz von Facebook zu erhöhen. Dieses Ziel ist wegen der einmütigen Kritik der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder (DSB-Konferenz) verständlich, die nach umfassenden Analysen feststellten, dass Facebook in vieler Hinsicht gegen deutsches und europäisches Datenschutzrecht verstößt.

Es kommt so nicht von ungefähr, dass sich der Leitfaden auf zwei Seiten mit dem Thema Datenschutz befasst. Geworben wird damit, dass Facebook „irischen und europäischen Datenschutzgesetzen“ unterläge und, dass das Unternehmen – unterlegt mit einem Foto aus dem ULD – in einem „intensiven und konstruktiven Dialog mit den Landesdatenschutzämtern und dem Bundesdatenschutzbeauftragten“ stand und stehe. Nicht erwähnt wird, dass der erwähnte Dialog u. a. darüber erfolgt, dass „Gefällt mir“-Buttons und Fanpages zu unzulässigen Datenspeicherungen und -auswertungen in den USA führen, die die Grundlage für „Facebook Insights“ sind. Nicht erwähnt wird, dass ein Gutachten des Arbeitskreises I der Innenministerkonferenz im Auftrag der Chefs der Staatskanzleien zu dem Ergebnis kommt, „dass die datenschutzkonforme Ausgestaltung von Social Plugins wie dem Like-Button sowie von Fanpages sowohl in tatsächlicher Hinsicht … als auch in rechtlicher Hinsicht … noch nicht abschließend geklärt ist“. Es bedürfe der „Klärung tatsächlicher Fragen“. Diese Klärung blieb seit zwei Jahren erfolglos, weil Facebook die nötigen, u. a. vom ULD mehrfach angeforderten Dokumente nicht vorlegte. Die DSB-Konferenz hat sich deshalb soeben mit der Bitte um Unterstützung an die Ministerpräsidentenkonferenz gewendet.

Erwähnt wird auch nicht, dass sich Facebook der Anwendung deutschen Datenschutzrechtes dadurch entzieht, dass es behauptet, irisches Datenschutzrecht sei auch für die 25 Millionen deutschen Nutzer anwendbar. Der irische Datenschutzbeauftragte habe in zwei Audits Facebooks Datenschutzkonformität nach irischem Recht bestätigt. Die Leugnung der Anwendbarkeit deutschen Rechtes war jüngst vor dem Verwaltungsgericht Schleswig vorläufig erfolgreich mit dem Argument, Facebook habe in Deutschland keine Niederlassung. Genau diese Niederlassung zeichnet aber für den aktuellen Leitfaden verantwortlich.

Thilo Weichert, Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD): „Es ist dreist, wie Facebook in dem Leitfaden politisch Verantwortliche für dumm zu verkaufen versucht. Bisher haben die meisten Verantwortlichen geschwiegen und viele Facebook einfach genutzt. Politiker und Amtsleiter sind zur Beachtung des Datenschutzrechtes verpflichtet und können sich nicht darauf berufen, dass andere auch gegen den Datenschutz verstoßen. Spätestens mit diesem Leitfaden dürfen sie nicht weiter schweigen und Facebook weiternutzen. Sie müssen sich den Datenschutzverstößen mit und durch Facebook stellen. Deshalb fordere ich Facebook und die Politik auf, den Datenschutzdialog endlich zu führen – von dem bisher nur geredet wird. Das ULD steht, wir Datenschützer stehen hierfür bereit.“

Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein
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