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Arbeitszeiterfassung in Unternehmen: Zwischen Pflicht, Praxis und Protest

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Drei Viertel der Unternehmen erfassen Arbeitszeiten – meist digital. Bild: pixabay
Drei Viertel der Unternehmen erfassen Arbeitszeiten – meist digital. Bild: pixabay
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Digitale Zeiterfassung wird zum Standard in deutschen Firmen

Seit dem höchstrichterlichen Urteil im September 2022 sind Unternehmen in Deutschland verpflichtet, die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeitenden systematisch zu erfassen. Inzwischen setzen rund 74 Prozent der Unternehmen diese Pflicht um – ein Anstieg um 44 Prozentpunkte seit der Gerichtsentscheidung. Besonders auffällig: Der Trend zur digitalen Erfassung nimmt zu. Unternehmen nutzen vermehrt elektronische Zeiterfassungssysteme, Apps und stationäre Terminals – klassische Methoden wie handschriftliche Stundenzettel oder Excel verlieren zunehmend an Bedeutung.

Vielfalt bei der Zeiterfassung: Zwischen Stechuhr und Smartphone

Die eingesetzten Systeme zur Arbeitszeiterfassung sind vielfältig:

  • 31 % nutzen Zeiterfassungssysteme am Computer,
  • 24 % setzen auf stationäre Geräte mit Chip oder Transponder,
  • 18 % verwenden mobile Apps,
  • 19 % greifen auf Stechuhren zurück,
  • 16 % erfassen Arbeitszeiten über Excel-Tabellen,
  • 13 % dokumentieren weiterhin handschriftlich.

Diese Zahlen zeigen: Auch im digitalen Zeitalter halten sich manuelle Lösungen – wenn auch rückläufig – hartnäckig in manchen Branchen.

Vertrauensarbeitszeit in Gefahr? Unternehmen fordern mehr Flexibilität

Die Debatte um die Zeiterfassung stößt auf deutliche Kritik aus der Wirtschaft. Laut Umfrage sagen 65 Prozent der Unternehmen, dass durch die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung die Flexibilität von Vertrauensarbeitszeit verloren geht. Über die Hälfte (55 %) halten eine präzise Zeiterfassung insbesondere im Bereich der Wissensarbeit für kaum praktikabel. Zudem fühlen sich 41 Prozent der Mitarbeitenden laut Angaben ihrer Arbeitgeber durch die Erfassung kontrolliert.

Wochenarbeitszeit statt täglicher Kontrolle: Breite Zustimmung aus der Wirtschaft

Der Wunsch nach mehr Flexibilität ist groß: 82 Prozent der Unternehmen fordern eine gesetzliche Neuregelung, die statt einer täglichen eine wöchentliche Höchstarbeitszeit vorsieht. Dies würde modernen Arbeitsmodellen besser gerecht. Fast die Hälfte (49 %) plädiert zudem für eine flexiblere Handhabung der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeit von 11 Stunden.

Bitkom-Präsident Wintergerst: „Arbeitszeitrecht muss Realität abbilden“

Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst sieht die derzeitige Regelung als nicht mehr zeitgemäß:

„In unserer digitalen Welt mit flexiblen Arbeitsmodellen ist eine minutiöse Arbeitszeiterfassung anachronistisch. Besonders in der Wissensarbeit verschwimmen die Grenzen zwischen Beruf und Privatleben.“

Er fordert daher eine rasche Umsetzung der im Koalitionsvertrag angekündigten Modernisierung des Arbeitszeitgesetzes – inklusive einer gesetzlichen Klarstellung, dass etwa das Lesen beruflicher E-Mails nach Feierabend nicht die Ruhezeit unterbricht.

Unternehmen planen weiter: Trend zur Zeiterfassung hält an

Trotz der Kritik: Die Entwicklung ist klar. 21 Prozent der Unternehmen planen, im laufenden Jahr ein System zur Arbeitszeiterfassung einzuführen. Lediglich 2 Prozent wollen vorerst abwarten, bis der Gesetzgeber konkrete Regelungen verabschiedet. Damit dürfte sich die digitale Zeiterfassung flächendeckend durchsetzen – unabhängig von der Form der gesetzlichen Ausgestaltung.

Zwischen Kontrolle und Vertrauen: Wie geht es weiter?

Die Diskussion um die Zukunft der Arbeitszeiterfassung ist ein Paradebeispiel für den Wandel der Arbeitswelt. Während gesetzliche Pflichten und betriebliche Realität teils noch auseinanderklaffen, zeichnet sich ein neues Modell ab: Ein flexibles Arbeitszeitrecht, das sowohl den Bedürfnissen von Unternehmen als auch denen der Beschäftigten gerecht wird. Entscheidend wird sein, Bürokratie zu reduzieren und Vertrauensarbeitszeit nicht zu gefährden, sondern intelligent zu integrieren.

Quelle: bitkom, 06.06.2025
Bild: pixabay.com

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