Schneise der Verwüstung auf dem Gelände der Gedenkstätte Langenstein-Zwieberge

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Stollensystem Zwieberge
Stolleneingang Gedenkstätte Langenstein-Zwieberge nach Durchbruch mit Planierraupe
Frank Baranowski
Stolleneingang Gedenkstätte Langenstein-Zwieberge nach Durchbruch mit Planierraupe

(socialON) Unbekannte entwendeten in der Nacht vom 08.12. auf den 09.12.2014 von einer etwa 1,5 Kilometer entfernten Baustelle zwischen Halberstadt und Langenstein eine Planierraupe und fuhren damit auf das Gelände der Gedenkstätte Langenstein-Zwieberge bei Halberstadt. Dort drückten sie zunächst ein geschlossenes Tor der Gedenkstätte ein und wälzten in der Folge etwa 500 m des Zaunes inklusive Pfosten um. In der Folge versuchten die Täter mit der Raupe das Eingangsgitter zum Stollen zu überwinden. Nachdem Sie das Tor eingedrückt hatten, ließen sie von ihrem Vorhaben ab, wendeten die Raupe und verließen das Gelände. Die Gedenktafeln, die vor einem Stollen an die Opfer des ehemaligen KZ-Außenlagers erinnern, wurden aber nicht beschädigt.

Wenige hundert Meter vom Eingang der Gedenkstätte entfernt steckten die Täter die Raupe in Brand und ließen diese auf einem benachbarten Feld zurück. Nach Angaben der Polizei soll sich der Schaden auf etwa 50.000 EUR belaufen. Die Hintergründe der Tat sind bislang unklar. Ein politisches Motiv wird aber nicht ausgeschlossen. Der Staatsschutz ermittelt.

Die Gedenkstätte Langenstein-Zwieberge erinnert an das frühere KZ-Außenkommando, das am 21. April 1944 mit einer Gruppe von zunächst 18 Häftlingen aus Buchenwald in der Kegelbahn des „Landhauses“, einer Ausflugsgaststätte, eingerichtet wurde. Weitere Transporte aus Buchenwald und Neuengamme folgten, so dass die Zahl der Häftlinge schnell auf 700 anstieg. Daher mussten andere Unterbringungsmöglichkeiten gefunden werden. So entstand in einer Senke, etwa drei Kilometer entfernt von Langenstein, begrenzt vom Hasselholz, den Zwiebergen und den Tönnigsbergen, ein Barackenlager. Das Buchenwalder Außenkommando war im Juli 1944 im Rohbau fertiggestellt, so dass der „Umzug“ der Häftlinge begann, der im September 1944 abgeschlossen war.

Die Insassen des KZ-Kommandos waren vorwiegend damit befasst, für die deutsche Rüstungsindustrie nach dem Beispiel des Raketenwerks im Kohnstein bei Nordhausen Stollen zur Unterbringung einer unterirdischen Produktionsstätte für Flugzeugteile in den Thekenberg bei Halberstadt zu treiben. Die Häftlinge des Außenkommandos Langenstein-Zwieberge trieben innerhalb von nur zehn Monaten ein Stollensystem von etwa 13 km Länge mit einer Gesamtfläche von 67.000 qm in den Berg. Zwar konnten bis Kriegsende noch einige Maschinen installiert werden, doch zu einer Produktion kam es nicht mehr.

Bis zur Befreiung des Außenkommandos Langenstein-Zwieberge am 11. April 1945 durch die US-Armee waren mindestens 8.000 Häftlinge im Lager inhaftiert, die auf der etwa zwei Kilometer entfernt befindlichen Baustelle schuften mussten. Mindestens 1.900 von ihnen starben innerhalb des einen Jahres infolge Entkräftung, Krankheit und an den brutale Misshandlungen durch das SS-Personal. Weitere 2.500 weitere kamen bei dem anschließenden Todesmarsch, also der Räumung des Lagers, ums Leben.

Quelle: Redaktion socialON.
Bildquelle: Frank Baranowski, Siegen.