Netzneutralität stärken

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(socialON) Herr Präsident, meine Damen und Herren, der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und SSW enthält eine Menge wichtiger netzpolitischer Reformprojekte für unser Land und eine ganze Reihe von geplanten Initiativen für die Bundesebene. Angesichts dieser Fülle von Aufgaben ist die Küstenkoalition immer dankbar, wenn die Opposition uns beim Umsetzen unseres Arbeitsprogramms behilflich ist. Insofern danke ich ausdrücklich den Piraten für den vorliegenden Antrag.

SPD, Grüne und SSW haben bereits in der vergangenen Legislaturperiode einen Antrag zur Netzneutralität gestellt (Drs. 17/1278), damals leider von Schwarz-Gelb abgewiesen. Im Koalitionsvertrag haben wie uns ausdrücklich dem Prinzip der Netzneutralität verpflichtet und fordern unter anderem im Rahmen des Breitbandausbaus die Vergabe von Fördermitteln an die Wahrung der Netzneutralität zu knüpfen. Und zu dieser Forderung stehen wir nach wie vor.

Doch worum geht es bei der Netzneutralität eigentlich? Die Gleichbehandlung aller Datenpakete ist eine der Grundlagen des freien Internets.

Netzneutralität bedeutet, dass die Datenübertragung im Internet wertneutral vorgenommen wird. Wenn wir Netzneutralität diskutieren, führen wir eine freiheitsorientierte, verteilungspolitische und wirtschaftspolitische Debatte zugleich. Netzanbieter dürfen nicht bestimmen welche Inhalte im Netz priorisiert erreicht werden dürfen.

Und schon gar nicht darf die Bereitstellung der Daten davon abhängig sein wie viel Organisationen, Unternehmen und Einzelpersonen für ihre Inhalte zahlen können.

Doch viele Telekommunikationsfirmen – das hat eine Studie, die die europäischen Regulierer erst vor kurzem vorgelegt haben, noch einmal deutlich gemacht – verstoßen heute schon gegen das Prinzip eines freien und offenen Internets und der Netzneutralität.

Die vollständige Blockade und das bewusste Verlangsamen von Peer-to-Peer-Verkehr sowie von Internet-Telefonie via Voice-Over-IP sind heute schon weit verbreitet.

Es ist wirklich bitter, dass die Telekom vor einigen Wochen angekündigt hat, seine Volumentarife zu drosseln. Auch wenn wir Grüne mit einer gesunden Skepsis gegenüber den freien Kräften des Marktes ausgestattet sind, hoffen wir doch sehr, dass die Telekom-Konkurrenz diesen Vorstoß nicht mitgeht, sondern dies als Chance begreift, hier einen Wettbewerbsvorteil zu bekommen.

Wo Flatrate draufsteht, muss auch Flatrate drin sein! Auch bei einem steigenden Anteil multimedialer Datenströme besteht kein Grund, das erfolgreiche Prinzip der Netzneutralität in Frage zu stellen. Dies gilt natürlich auch für das mobile Internet.

Der Gesetzgeber muss seiner Regulierungspflicht nachkommen. Wir stehen vor der Entscheidung, ob wir das Netz rein wirtschaftlichen Interessen überlassen oder ob wir die demokratische Entwicklung des Netzes schützen wollen.

Wir Grüne wollen kein 2-Klassen Internet! Mögliche Ansatzpunkte bestehen sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene. Wünschenswert wäre eine Sicherung der Netzneutralität nach einheitlichen Standards in Europa. Auf nationaler Ebene bestehen Einflussmöglichkeiten, über die Bundesnetzagentur und das Telekommunikationsgesetz.

Es geht um eine grundsätzliche Demokratiefrage. Gleicher Zugang für alle zu organisieren bedeutet halt eben auch gleiche Informationsmöglichkeiten zu ermöglichen.

Die Grünen haben im Bundestag bereits mehrere Anträge zur Wahrung der Netz-neutralität eingebracht. Diese wurden jedoch von der CDU-FDP-Bundesregierung blockiert. Kann es daran liegen, dass der Bundesregierung die auch wirtschaftspolitische Bedeutung des Internets noch immer nicht bewusst geworden ist oder ist es mal wieder  eine völlig falsch verstandene Nähe zu einzelnen großen Wirtschaftsunternehmen? Man weiß es nicht!

Denn eines ist doch klar: wenn Netzneutralität nicht gesichert ist, werden gerade innovative kleine und mittelständische UnternehmerInnen geschwächt. Start-Ups und KünstlerInnen ebenfalls.

Sehr geehrte Damen und Herren.
Der Antrag der Piraten verdient Unterstützung. Ob und wie Netzneutralität verankert werden kann, darüber streiten sich viele ExpertInnen. Aus Grüner Sicht bedarf es gesetzgeberische Regelungen, so wie es in den USA und Niederlande selbstverständlich und in Frankreich in Planung ist.

Im Detail werden wir noch zu reden haben. Wir beantragen daher Ausschussüberweisung.

Vielen Dank.

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
im Schleswig-Holsteinischen Landtag
Claudia Jacob
Pressesprecherin
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