Di­gi­ta­li­sie­rung muss so­zi­al sein: Diskussion in einer Zeitenwende

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Di­gi­ta­li­sie­rung muss so­zi­al sein: Diskussion in einer Zeitenwende.
Bundesratspräsident Michael Müller begrüßt die Teilnehmer und führt in das Thema der Diskussion ein © Bundesrat | Henning Schacht

(socialON) Di­gi­ta­li­sie­rung muss so­zi­al sein: Diskussion in einer Zeitenwende.

Diskussion in einer Zeitenwende

„Es ist wichtig, dass wir uns mit dem auseinandersetzen, was vor uns liegt: der Digitalisierung.“ Zum bevorstehenden Abschluss seiner Bundesratspräsidentschaft bot Michael Müller im Bundesrat ein Forum für eine facettenreiche und lebhafte Debatte über ihre Chancen und Herausforderungen.

Gemeinsam mit dem Bundesratspräsidenten diskutierten Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann, die Vorsitzende des VDU Jasmin Arbabian Vogel sowie die Geschäftsführerin von AlgorithmWatch Lorena Jaume Palasi. Die Keynote des Abends sprach Professorin Jutta Rump, Mitglied der Kommission „Zukunft der Arbeit 2030“ der Robert-Bosch-Stiftung. Moderiert wurde der gut zweistündige Austausch von Tanja Samrotzki.

Wir brauchen eine Sozialstaatsdebatte

„Der Veränderungsprozess, den wir momentan durch die Digitalisierung erleben, erfordert eine breite Diskussion in den unterschiedlichsten Bereichen, und zwar über Berlin hinaus“. Deshalb habe er die soziale Ausgestaltung der Digitalisierung bewusst zum Thema seiner Bundesratspräsidentschaft gemacht, erläutert Michael Müller zu Beginn der Veranstaltung. „Wir brauchen größere Antworten auf größere Sorgen und müssen die Digitalisierung einbetten in eine Sozialstaatsdebatte“, unterstreicht er.

Entscheidend ist das Vertrauen der Menschen

Dass die soziale Dimension der Digitalisierung bislang vernachlässigt wurde, bestätigt auch Professorin Jutta Kump. Doch ein Blick in die Geschichte zeige, dass es gerade auch darum gehen müsse: Was bedeutet Digitalisierung für das private Leben, die Arbeitswelt und die Gesellschaft? „Wir befinden uns in einem Transformationsprozess, dessen Ausgang nicht erkennbar ist,“ hebt sie hervor.

Dieser Prozess werde beeinflusst von zahlreichen Megatrends wie der Alterung der Gesellschaft, der Globalisierung oder zunehmenden Individualisierung. Hieraus ergebe sich eine extrem komplexe Veränderung, die mit enormen Anforderungen verbunden sei. Um die Menschen mitzunehmen und den Transformationsprozess erfolgreich zu gestalten, bräuchte es vor allem Vertrauen. Deshalb sei es entscheidend, unsere Identität als Gesellschaft zu definieren und sie zu bewahren.

Soziales Gefüge erhalten

Ähnlich sieht das Reiner Hoffmann: „Natürlich müssen wir uns Gedanken machen über die technologischen Veränderungen. Aber wir müssen uns vor allem auch fragen, was wir wollen. “ Dabei richtet er den Blick auf die Share Economy. Es könne nicht sein, dass das soziale Gefüge in diesen neuen Gesellschaftsfeldern wie das Kind mit dem Bade ausgeschüttet werde.

Mehr Mitbestimmung

Ökonomische und soziale Prozesse müssen gleichzeitig gedacht werden, betont auch Bundesarbeitsminister Heil. „Wir brauchen einen sozialen Rahmen.“

Der Staat allein könne die erforderliche Werteentscheidung allerdings nicht treffen. Es müsse auch in der digitalen Wirtschaft Orte des Verhandelns geben, an denen die soziale Frage diskutiert werde. „Wir brauchen wieder Sozialpartnerschaft. Und mehr Mitbestimmung denn je“, unterstreicht er. „Die Menschen dürfen keine Angst haben. Ansonsten zahlt sich diese Entwicklung auch ökonomisch nicht aus.“ Die Frage der Mitbestimmung ist auch für Bundesratspräsident Müller von zentraler Bedeutung. Gerade bei den im Übrigen sehr erfolgreichen Start ups sehe er noch Handlungsbedarf. Gleiches gelte für die Weiterbildung.

Schlüssel zum Erfolg: Bildung

Ebenfalls einig waren sich die Diskussionsteilnehmer bei der Rolle der Bildung: „Bildung ist der Schlüssel dafür, dass die digitale Transformation gelingt“, erklärt DGB-Vorsitzender Hoffmann. Eine Schwachstelle liegt für ihn allerdings im Bildungssystem Deutschlands: „Das ist noch nicht auf die neuen Kompetenzen ausgelegt, die wir brauchen“. Dass die Digitalisierung neue Berufsprofile erfordert, bestätigt Lorena Jaume-Palasi: „Wir benötigen nicht mehr Ingenieure, sondern mehr Interdisziplinarität“.

Jasmin Arbabian-Vogel knüpft hier an: „Entscheidend ist eine größere Diversität. Die Unternehmen müssen offener werden, weiblicher, alters-gemischter.“ Das sei das Gebot der Stunde. Außerdem müsse der Diskurs aus dem Kontext der Arbeitnehmerschaft herausgeholt und breiter ausgetragen werden. Insbesondere auch ethische Fragen seien einzubeziehen.

Solidarisches Grundeinkommen

Bei der Frage, was es für eine soziale Digitalisierung braucht, richtet Bundesratspräsident Müller den Blick auf das solidarische Grundeinkommen. „Wir benötigen Maßnahmen, die nicht sanktionieren und nicht nur kurzfristig sind und bei denen dennoch die Arbeit im Mittelpunkt ist“, erläutert er. Damit stößt er bei Bundesarbeitsminister Heil auf Skepsis, der von dem neuen Instrument nicht vollends überzeugt ist und stattdessen vor allem Perspektiven für Langzeitarbeitslose schaffen möchte.

Interaktiver Austausch

Für einen interaktiven Austausch mit dem Publikum sorgte übrigens Slido: Die Umfrage-Plattform ermöglichte es dem Publikum aus Vertretern der Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Verwaltung, sich per Live-Umfrage direkt an der Diskussion zu beteiligen.

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Quelle: Pressemitteilung des Bundesrates vom 9. Oktober 2018.
Bildquelle: © Bundesrat, Henning Schacht